Rechtsgeschichte – Legal History 31 (2023)

Die jüngste Ausgabe der Institutszeitschrift Rechtsgeschichte – Legal History (Rg) versammelt wieder exzellente Forschungsbeiträge und meinungsstarke Rezensionen zu rechtshistorisch relevanten Themen aus Deutschland und der Welt.

Im Recherche-Teil stellt Dieter Grimm die Thesen seines vielbeachteten Buchs „Die Historiker und die Verfassung“ in englischer Sprache zur Diskussion. Darin bemängelt er, dass geschichtswissenschaftliche Gesamtdarstellungen den Beitrag des Grundgesetzes und des Bundesverfassungsgerichts zur Entwicklung der Bundesrepublik nur eingeschränkt wahrnehmen. Anregende Antworten auf seine Kritik sind mitsamt der Grimm’schen Replik im Forum abgedruckt.

Jan Thiessen fragt, ob das Archivrecht und die Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Deutschland die zeitgeschichtliche Forschung behindern, während Jakob Zollmann untersucht, wie das Reichsgericht um 1900 Rechtsstreitigkeiten entschied, die in den kolonialen Gerichtsbarkeiten begonnen hatten. Die Rubrik Recherche wird abgerundet durch zwei Beiträge zu Mittel- und Osteuropa: József Szabadfalvi gibt einen Überblick über die Entstehung einer eigenständigen ungarischen Rechtsterminologie, die sich nach Überwindung des Lateinischen als Juristensprache gegen die deutsche Rechtssprache des Habsburgerreichs durchsetzte. Und Stefan Cristian Ionescu zeigt, wie rumänische Beamte, die während des Zweiten Weltkriegs an der „Arisierung“ jüdischen Eigentums beteiligt waren, ihre Karrieren in der Nachkriegszeit zunächst unbehelligt fortsetzen konnten.

Der von David Rex Galindo koordinierte Fokus befasst sich mit neueren Ansätzen der Erforschung indigener Zwangsarbeit in Grenzgebieten des spanischen Imperiums vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert. Nicht alle Erscheinungsformen dieses Phänomens lassen sich mit dem Begriff der Sklaverei zutreffend erfassen, wie die vier Aufsätze über die Ausbeutung Indigener in so unterschiedlichen Territorien wie Granada und den kanarischen Inseln, Chile und New Mexico sowie den Philippinen verdeutlichen. Angelehnt an den Fokus ist die Bildstrecke der gedruckten Rg: historische Karten und Stadtansichten zeigen einige der behandelten Schauplätze.

Der mehrsprachige Rezensionsteil (Kritik) bietet 40 Buchbesprechungen, in denen sich die Vielfalt der Rechtsgeschichte und der am Institut betriebenen Forschung wiederspiegelt. Den Band beschließt eine Marginalie von Thomas Duve, die sich mit dem Werk Paolo Grossis auseinandersetzt. Der im Juli 2022 verstorbene italienische Rechtshistoriker, in dessen Schriften die mittelalterliche europäische „Rechtsordnung“ eine zentrale Stellung einnahm, war dem Institut über viele Jahre eng verbunden.

Rechtsgeschichte — Legal History 31 ist ab sofort als Printausgabe über den Verlag Vittorio Klostermann erhältlich sowie online im Open Access.

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