Das Gewissensrecht in der reformierten Tradition: Johannes a. Van der Meulen (1635 -1702) und sein Tractatus theologico-juridicus (The Law of Conscience in the Reformed Tradition: Johannes A. Van der Meulen (1635-1702) and His Theological-Juridical Treatise)

No. 2013-05

‘Denjenigen, die sich mit dem geltenden Recht beschäftigen, mag es nicht entgehen, dass dieses Recht manchmal vom Recht Gottes, der Moral und der Vernunft abweicht. Deshalb,’ so teilte Johannes Andreas Van der Meulen vorab seinen Lesern mit, ‘bin ich immer der Meinung gewesen, dass es keine Energieverschwendung wäre, wenn ich das geltende Recht kurz durchsehen würde, um die fehlbaren Falllösungen der Gottlosen gegen das Licht des unfehlbaren Wort Gottes zu halten.’ Somit war das Programm des reformierten Juristen aus Utrecht unmissverständlich klar: aufgrund reformiert-religiöser Prinzipien, die Rechtsordnung des forum externum möglichst gut mit den Gesetzen des forum internum in Einklang zu bringen. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass er mit seinem Projekt in die Fußstapfen der Spanischen Spätscholastiker trat. Trotzdem betonte er, seine Ausgangsprinzipien seien unterschiedlich: im Gegensatz zu den katholischen Theologen nehme er die Erbsünde ernst und verlasse sich auf die Bibel statt der mittelalterlichen, juristischen und theologischen Tradition. Diese Behauptung des Van der Meulen möchte der Autor zum Anlass nehmen, anhand von Fallbesprechungen im Tractatus theologico-juridicus, die Antwort von reformierter Seite auf diese sog. katholische Beichtjurisprudenz, zu untersuchen. Anhand von drei exemplarischen Fällen wird beleuchtet, wie Van der Meulen bei der Abwägung von positivem Gesetzesrecht und göttlichem Gewissensrecht vorgeht. Außerdem steht die Frage im Vordergrund, wie sich Van der Meulen auf das ius commune und die Spätscholastik bezieht. Der erste Fall betrifft die Rechtfertigung von Schuld- und Straftaten durch Gewohnheit. Danach wird der Frage nachgegangen, ob gesetzliche Formvorschriften in Verträgen gemäß dem Gewissensrecht einzuhalten sind. Drittens folgt der Fall der straflosen Tötung eines Geächteten, d.h. eines für vogelfrei Erklärten.

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