Rom und die Welt

Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den katholischen Territorien in Spätmittelalter und Früher Neuzeit

Veranstaltungsreihe

In den Vatikanischen Archiven arbeitende Wissenschaftler nehmen die katholische Welt und ihre komplexe Funktionsweise häufig als eine organische Einheit wahr. Eine solche durchaus naheliegende Annahme kann sich aber bei genauerer Interpretation der römischen Dokumente als irreführend erweisen. Eine Vortragsreihe und zwei Tagungen (2010-2012) widmen sich vor diesem Hintergrund den Beziehungen zwischen der Römischen Kurie und der katholischen Welt. Unter anderem sollen folgende Fragen aufgeworfen werden: Von welchem Standpunkt und mit welchen Absichten betrachtete die Römische Kurie die Welt? Welche Kontakte und Netzwerke etablierte sie? Wie beeinflussten und bedingten derartige Beziehungen die Funktionsweise der Kurie, etwa in Bezug auf die Rechtsetzung, die Justizverwaltung und die Kontrolle der verschiedenen kirchlichen Organe in der Peripherie? Änderten sich dadurch die politischen und diplomatischen Beziehungen zu anderen Staaten? Welche Resonanz hatten die römischen Entscheidungen außerhalb der Kurie? Wie wurden sie schließlich rezipiert, verwendet und den jeweiligen lokalen Kontexten angepasst, die oft so weit entfernt von Rom lagen?

Die Untersuchung dieser Fragen scheint insbesondere für den Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit interessant zu sein: Zwar gingen zu jener Zeit die offiziellen Dekretalensammlungen zu Ende, doch die Anzahl päpstlicher und kurialer Verfügungen nahm stark zu. Die geographischen Entdeckungen und die europäische Expansion veränderten nicht nur das Weltbild radikal, sondern auch das Beziehungsgeflecht, das die verschiedenen Teile mit dem Zentrum der Christenheit verband. Die Reformation stellte die Universalität des Papsttums auf dem Gebiet des Rechts und der Theologie in Frage und zwang die Römische Kirche dazu, ihren Status zu überdenken. Der Apostolische Stuhl selbst erfuhr eine Reihe tiefgreifender Veränderungen, die sich in verschiedenen Reformen und Reformversuchen der Römischen Kurie manifestierten. Diese wirkten sich maßgeblich auch auf die Außenbeziehungen der Kurie aus. Genannt seien nur die Zunahme der Nuntiaturen, die Gründung der Kardinalskongregationen und die Italianisierung der Ämter.

Die anberaumten Treffen setzen sich zum Ziel, internationale Wissenschaftler unterschiedlicher Forschungsfelder und -richtungen zusammenzubringen, die das gemeinsame Studium der römischen Quellen verbindet. Auf diese Weise möchten wir innovative und facettenreiche Deutungen zur Geschichte der frühneuzeitlichen Außenbeziehungen der Römischen Kurie vorstellen. Neben einer Vortragsreihe werden zwei wissenschaftliche Tagungen stattfinden. Während die Vorträge das Thema eher aus einer allgemeinen Perspektive beleuchten, sollen die Tagungen konkretere Themen behandeln, die sich wiederum aus den Debatten im Anschluss an die Vorträge ergeben werden.

Vortrag: Roma communis patria

10. Dezember 2012

Prof. Dr. Emanuele Conte (Università degli Studi “Roma Tre”, Roma)

The real city and the myth of Rome did play an important role in the process of renewal that marked the European civilization in the 12th Century. The papal Curia made a clear choice for Roman legal procedure during the schism of 1130-40, while in Bologna Bulgarus had just founded his school. Roman procedure and Roman ideas of private law started very early to be used in practice by the papal curia.

Um 18 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

Der Vortrag ist auf Englisch, Gäste sind herzlich willkommen!

Vortrag: Eine dokumentarische Geschichte des Papsttums

12. November 2012

Prof. Dr. Olivier Poncet (École nationale des chartes, Paris)

Um 18 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

Nach einem Überblick über die Geschichte des Papsttums, der sich auf Archive stützt, möchte der Vortrag auf folgende grundlegende Frage eingehen: Sind die Historiker heute, etwa ein Jahrhundert nach dem Aufruf der Annales-Schule zu einer problemorientierten Geschichtswissenschaft, immer noch abhängiger von ihren Quellen als von ihren Fragestellungen? Am Beispiel französischer Untersuchungen zur Institution des Papsttums soll versucht werden, diese oft verwirrenden Beziehungen der Historiker zur päpstlichen Dokumentation zu klären.

Der Vortrag wird auf Deutsch gehalten.

Vortrag: The Reconquest of 'Heretic' Lands: Roman Strategies of Conversion in Switzerland and the Holy Roman Empire in the Seventeenth Century.

31. Oktober 2011

Irene Fosi (Università di Chieti-Pescara)

Um 18 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

From the late sixteenth century on, the Catholic reconquest of 'heretic' European lands, especially in the Holy Roman Empire and in Switzerland, was the prominent aim of the papal politics. This goal is fully evident in the Instructions (Istruzioni) for papal nuncios at imperial courts and for missionaries as Jesuits and Capucins, but it also appears in the rich correspondence between nuncios and Roman congregations as the Holy Office and the Propaganda Fide. This rich documentation allows to underline the gap between the Roman instructions and the local realities nuncios and missionaries had to face, and to analyse the different conversion strategies related with imperial and local politics, privileges of nobility, resistence of the local clergy, and other difficulties.

Vortrag: Regieren mit Urkunden im Spätmittelalter. Päpstliche Kanzlei und weltliche Kanzleien im Vergleich

17. Juni 2011

Prof. Dr. Andreas Meyer (Philipps-Universität Marburg)

Um 16 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

Die päpstliche Kanzlei war im Spätmittelalter mit Abstand der größte Urkundenproduzent. Jahr für Jahr dürfen mehrere zehntausend Urkunden sie verlassen haben. Mit solchen Mengen an Urkunden stellte die päpstliche Kanzlei alle weltlichen Kanzleien weit in den Schatten. Der Vortrag versucht, nicht nur die Gründe dafür zu ergründen, sondern geht auch auf die organisatorischen und rechtlichen Besonderheiten und Probleme ein, die mit einer solchen Produktionsmenge verbunden waren.

Der Vortrag wird auf Deutsch gehalten.

Vortrag: Rom als das impulsgebende Zentrum? Zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter

2. Mai 2011

PD Dr. Jochen Johrendt (Ludwig-Maximilians-Universität München)

Um 18 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

Die Epoche von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III. (1198-1216) gilt allgemein als eine Epoche der Zentralisierung der Kirche auf Rom. Rom erhielt im Laufe dieser eineinhalb Jahrhunderte immer mehr Gewicht und wurde das scheinbar fast alles bestimmende Zentrum der lateinischen Kirche, sogar ein „die Welt regierendes Papsttum“, wie es Paul Fridolin Kehr formulierte. Doch neuere Forschungen haben gezeigt, dass diese Zentralisierung keineswegs ein linearer Prozess war. Zudem handelt es sich bei der Zentralisierung der lateinischen Kirche um keinen allein von Rom aus gesteuerten Prozess. Die von den Inhabern der Kathedra Petri postulierten Kompetenzen und die eingeforderte Unterordnung aller Kirchen ist nicht mit der faktischen Entwicklung in den Ortskirchen gleichzusetzen. Vielmehr ist die scheinbar so teleologische Zentralisation der lateinischen Kirche durch die Untersuchung der Wechselbeziehungen von Rom und Ortskirchen kritisch zu hinterfragen. Der Vortrag zeichnet die von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts vorangetriebene Homogenisierung der lateinischen Kirche nach, fragt immer wieder nach dem römischen Anteil daran und thematisiert die Grenzen der Romzentrierung innerhalb der lateinischen Kirche.

Der Vortrag wird auf Deutsch gehalten.

Vortrag: Religious orders, teaching and doctrinal orthodoxy at the frontiers of Catholicism. The Congregation of Bishops and Regulars and a conflict between Jesuits and Dominicans in colonial Spanish America (second half of the 17th century)

28. März 2011

Dr. Paolo Broggio (Università Roma Tre)

Um 18 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

In the second half of the Seventeenth century a harsh controversy arose between Jesuits and Dominicans in the Viceroyalties of Peru and Nuevo Reino de Granada. The struggle concerned the possibility for the Jesuit colleges of Quito and Santa Fe de Bogotá to confer academic degrees not only in Philosophy and Theology but also in Canon law, precondition to be proclaimed as a University. The controversy arrived in Rome and was managed by the “Vescovi e Regolari” Congregation. As a mediator the Roman Curia chose an important Franciscan Italian theologian, Lorenzo Brancati di Lauria. The seminar will tackle the doctrinal and political implications of an “American controversy” in which Rome was asked to pronounce its judgement.

Der Vortrag wird auf Englisch gehalten.

Vortrag: The Vatican Secret Archives and their historical heritage. An international centre for historical research

23. November 2010

Dr. Luca Carboni (Segretario Generale Archivio Segreto Vaticano)

Um 18 Uhr c.t. im Hörsaal des MPIeR

The presentation will start with a brief description of the documents held in the Vatican Secret Archives and their geographical and chronological extension which reflect the long and complex history of the Roman Curia and the Catholic Church. Secondly, I will talk about the particular relation between the Archives and the Sovereign Pontiff during the past: as a famous historian wrote, the pope had “one body and two souls”: he was the governor of the Catholic Church and at the same time the temporal prince of local law. The Archives reflect this special condition. Furthermore, I will give an overview of the long history of the Vatican Archives, talking about the opening to scholars under Leo XIII (1881) and the beginning of the international research missions, concluding with a presentation of the research opportunities at the Vatican Archives today.

Der Vortrag wird auf Englisch gehalten.

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