Schiedsstaatlichkeit
Staatlich-private Interessenaustarierung durch Schiedsinstitutionen im Deutschland des Kaiserreichs und der Weimarer Republik
Forschungsprojekt
Seit Ende des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Organisation gesellschaftlicher Interessen in nichtstaatlichen, wenngleich teilweise eng mit dem Staat verbundenen Institutionen. Deren Aufgaben waren mannigfaltig: Erstellung von Regelwerken und Leitlinien, soziale und finanzielle Selbsthilfe, Sicherung von Ausbildungs- und Qualitätsstandards, Sicherung berufsständischer Disziplin, teilweise Wahrnehmung staatlicher Hoheitsbefugnisse. In weitem Ausmaß agierten Selbstregulierungsinstitutionen aber auch als Einrichtungen, in denen in einem förmlichen Verfahren Konflikte ausgetragen wurden – Konflikte, die der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht überantwortet waren oder bei denen sie nur zweitinstanzlich fungierte. Meist als Schlichtungs-, Schieds- oder Einigungsstellen firmierend, wiesen diese Einrichtungen unterschiedliche Formen auf: Sie konnten innerhalb einer schon bestehenden Organisation angesiedelt sein (z.B. Schiedsgerichte bei den Berufskammern) oder für Konflikte zwischen verschiedenen Organisationen geschaffen werden (z.B. Schiedsstellen für Streitigkeiten aus den Mantelverträgen zwischen den Dachverbänden von Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften) oder in behördlicher Trägerschaft errichtet, aber mit Vertreter*innen gesellschaftlicher Gruppen besetzt sein (z.B. Mieteinigungsämter).
Das Projekt beabsichtigt die Schließung dieser Forschungslücke und soll derartige Institutionen auch als Alternativmodell zum staatlichen Rechtsprechungsmonopol (und auch zum administrativen staatlichen Entscheidungsmonopol) untersuchen. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei vor allem auf die Frage, inwieweit in ihrer Funktionsweise die Wechselwirkungen zwischen staatlichen Steuerungsambitionen und Selbstorganisationsbestrebungen gesellschaftlicher Teilbereiche zum Tragen kamen.