Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang.
Zur Publizität der Entscheidungsgründe im Ancien Régime und im frühen 19. Jahrhundert

Stephan Hocks

Rechtsprechung. Materialien und Studien 17
Frankfurt am Main: Klostermann 2002. XII, 209 S.

ISSN: 0931-6183
ISBN: 3-465-03213-6


Richterinnen und Richter haben heute in allen Urteilen, die sie an die Prozeßparteien ausfertigen, die Gründe für ihre Entscheidung darzustellen. Dieser richterliche Begründungszwang wird dabei aber nicht bloß als technische Anweisung zur Anfertigung eines Urteils verstanden, aus ihm spricht vielmehr die für das Verhältnis zu den Rechtsunterworfenen wichtige Botschaft, die betroffene Prozesspartei als mündigen "Rechtsprechungsbürger" ernst zu nehmen. Vor dem Hintergrund dieser justizpolitischen Funktion wundert es nicht, dass die Existenz einer Urteilsbegründungspflicht im Zivilprozess der frühen Neuzeit gemeinhin verneint und ihr Aufkommen im 18. und 19. Jahrhundert als Ergebnis der Aufklärung ausgewiesen wird. Die Untersuchung über "Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang" geht der Entstehungsgeschichte der richterlichen Begründungspflicht nach und behandelt die historische Diskussion über Nutzen und Nachteil, Entscheidungsgründe über den Kreis der Urteilenden hinaus bekannt zu machen und das "Gerichtsgeheimnis" zu lüften. In den Blick kommen dabei aber nicht nur Überlegungen, den mündigen Bürger partizipieren zu lassen, es sind auch die Rechtsprechungsakteure selbst, die eine Begründungspflicht positiv sehen und die – wie die Beamtenrichter des 19. Jahrhunderts - mit der öffentlichen Bezugnahme auf wissenschaftlich gefundene Urteilsgründe einen wesentlichen Kern ihrer professionellen Tätigkeit entdecken.

Zur Redakteursansicht