Schildgeld und Heersteuer

Eine vergleichende Studie zur Entwicklung lehnsrechtlicher Strukturen durch die Umwandlung vasallitischer Kriegsdienste in Geldabgaben im normannisch-frühangevinischen England und staufischen Reich

Carsten Fischer

Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 279
Frankfurt am Main: Klostermann 2013. XIX, 391 S.

ISSN 1610-6040
ISBN 978-3-465-04178-8


Das hochmittelalterliche Lehnsrecht wurde von einem Spannungsfeld gegenseitiger Pflichten zwischen Lehnsherr und Vasall geprägt. Ein Aspekt der vasallitischen Pflichten war der Kriegsdienst. Er konnte im Lauf des Hochmittelalters entsprechend einer allgemeinen Tendenz zur Monetarisierung von Naturalabgaben und Diensten zunehmend durch eine Ersatzleistung in Geld abgelöst werden. Die Arbeit widmet sich der Untersuchung dieser vasallitischen Ablösungszahlungen und ihrer Auswirkungen auf die lehnsrechtlichen Strukturen des europäischen Hochmittelalters. Dazu werden auf der Grundlage von Urkunden, Rechtsbüchern und narrativen Quellen zunächst die Formen dieser Zahlungen im normannisch-frühangevinischen England und im staufischen Reich untersucht, das Schildgeld (scutagium) einerseits und die Heersteuer (hersture) andererseits. Dem folgt ein Vergleich von Schildgeld und Heersteuer. Dabei zeigt sich, dass es den normannisch-angevinischen Herrschern mit Hilfe einer gut funktionierenden Fiskalverwaltung über das scutagium gelang, lehnsherrliche Ansprüche zu dokumentieren, durchzusetzen und auf diesem Weg die Wirtschaftskraft ihres englischen Lehnsverbandes stärker als zuvor für sich nutzbar zu machen. Demgegenüber diente die Heersteuer nicht der intensiveren Nutzung vasallitischer Wirtschaftskraft durch die Lehnsherrn. Vielmehr wurde sie als Verhandlungsinstrument für konkrete vasallitische Pflichten in individuellen Leistungsbeziehungen genutzt. In der Politik Friedrich Barbarossas verlieh sie darüber hinaus dem kaiserlichen Anspruch auf Lehnsdienste Ausdruck und diente damit auch der Demonstration von Herrschaftsmacht im und über das Lehnsgefüge. Einer weitergehenden, systematischen Nutzung der Heersteuer zu Fiskalzwecken stand im Stauferreich vor allem das Fehlen eines ständigen Verwaltungsapparates entgegen.

Mit der vergleichenden Betrachtung lehnsrechtlicher Regelungsinstrumente nimmt die Untersuchung die zeitgenössischen Funktionen von Lehnsrecht in den Blick und ergänzt damit die Diskussion um den mittelalterlichen Rechtsbegriff. Dabei unterstreicht sie die Bedeutung des hochmittelalterlichen Lehnsrechts als flexibles Ordnungs- und Herrschaftsmittel, das in unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Kontexten genutzt werden konnte.

Die Arbeit wurde mit dem Preis des Rechtshistorikertages 2014 ausgezeichnet.

Meldung: ausgezeichnete Bücher

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