Zur Erziehung verurteilt.
Die Entwicklung des Jugendstrafrechts im zaristischen Russland 1864-1917

Tatjana Mill

Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 250
Lebensalter und Recht 3
Frankfurt am Main: Klostermann 2010. XI, 395 S.

ISSN: 1610-6040
ISBN: 978-3-465-04100-9


Die gesellschaftliche Wahrnehmung jugendlicher Delinquenten und der Jugend insgesamt zeichnet sich durch die Unbeständigkeit und den ständigen Wandel aus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich das neue Verständnis von Jugend durch, das sich unter anderem auch in den Bestrebungen der Juristen und Kriminalpolitiker, die strafrechtliche Behandlung der Jugendlichen zu reformieren, ausdrückte. Von der Humanität der Epoche der Aufklärung gingen die Juristen zur Bewältigung der kriminalpolitischen Erfordernisse der Zeit der Industrialisierung über. Nicht die Milderung der allgemeinen Strafen, sondern die Zweckmäßigkeit der staatlichen Reaktion auf Straftaten der Minderjährigen wurde zur Hauptforderung der Reformer des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Beispielhaft für die neue Wahrnehmung der jugendlichen Delinquenten stehen die in Russland ab 1864 stattfindenden Reformen im Bereich der Jugendkriminalität. Die Studie beleuchtet im Einzelnen die Modernisierung der Gesetzgebung, die Pädagogisierung des Strafvollzugs und die jugendspezifische Gestaltung des Gerichtsverfahrens. Dabei wird ausführlich auf die theoretische Basis der Reformen eingegangen. Die juristischen Diskursen und Reformvorschläge werden nach ihrer ideengeschichtlichen Herkunft unter Berücksichtigung der gegen Ende des 19 Jahrhunderts stattfindenden Internationalisierung des Strafrechts und der Kriminalpolitik analysiert. Das besondere Augenmerk richtet sich dabei auf den Ideen- und Rechtstransfer von Westen nach Russland und die internationale Gemeinschaftsarbeit russischer Juristen mit ihren westlichen Kollegen.

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