Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Hans Schulte-Nölke

Ius Commune Sonderheft 71
Frankfurt am Main: Klostermann 1995. XX, 380 S., 16 Abb.

ISSN: 0175-6532
ISBN: 3-465-02696-9

Die Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt als terra cognita der Rechtsgeschichte. Man zählt üblicherweise die Kommissionen, die in jahrelanger Arbeit die Entwürfe beraten und immer weiter verfeinert haben. Bei dieser Sichtweise ist die politische Dimension des Gesetzgebungsprojekts etwas aus dem Blick geraten. Der Autor ist der Frage nachgegangen, wie Regierungsorgane, Behörden und Parteien im Kaiserreich versuchten, auf das Gesetz einzuwirken, und ist dabei auf viele Uberraschungen gestoßen. Die Gesetzgebungsarbeiten waren Schauplatz einer zähen innenpolitischen Auseinandersetzung zwischen dem Reich, Preußen und den größeren Bundesstaaten, bei der sich letztlich das Reich in Gestalt des "Reichsjustizamts", einer kleinen und eher unscheinbaren Behörde, durchsetzte. Dieses Gerangel um Mitwirkung am Gesetzbuch ist ein Spiegel der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung des Reiches von seiner föderalistischen und antiparlamentarischen Gründungszeit unter Bismarck bis zur Hochphase des Wilhelminismus um 1900.

Die materialreiche Studie verfolgt diesen Prozeß aus der Perspektive des Reichsjustizamts und ist eine spannend geschriebene neue Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche die politischen Hintergründe in Beziehung zum Inhalt des Gesetzes setzt. Die Geschichte des Reichsjustizamts, in dessen Tradition das Bonner Bundesjustizministerium steht, liefert gleichzeitig reiches Anschauungsmaterial über die damalige Legislationsvorbereitung, die auch für die heutige Gesetzgebungspraxis Vorbildcharakter hat.

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