Recht im Sozialismus. 
Analysen zur Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften (1944/45-1989). 
Band 1: Enteignung

Herausgegeben von Gerd Bender und Ulrich Falk

Ius Commune Sonderheft 113
Frankfurt am Main: Klostermann 1999. XXI, 320 S.

ISSN: 0175-6532
ISBN: 3-465-02796-5


Der Zusammenbruch des osteuropäischen Kommunismus hatte die westlichen Geistes- und Sozialwissenschaften nicht weniger überrascht als alle anderen Beobachter auch. Es verwundert daher nicht, daß die Forschungslandschaft der 90er Jahre durch vielgestaltige Versuche geprägt wurde, das beinahe lautlose Verpuffen einer scheinbar ins Unermeßliche gesteigerten Staats- bzw. Parteimacht wenigstens nachträglich zu erklären, wenn man dies schon nicht vorherzusehen vermochte. Zu diesen Versuchen ist in gewisser Weise auch ein Forschungsunternehmen zu rechnen, das vom Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte seit 1994 in einem internationalen Netzwerk von fünf Arbeitsgruppen in Bratislava, Budapest, Frankfurt a.M., Prag und Warschau vorangetrieben wurde. Es konzentrierte sich auf die nur noch rudimentäre Rolle, die das Recht in den realsozialistischen Gesellschaften Ungarns, Polens, der Tschechoslowakei und der DDR noch zu spielen hatte. Unter den mannigfachen Ursachen des Zusammenbruchs ist dieses Defizit an Rechtlichkeit als unscheinbarer, aber strukturell nachhaltiger Faktor nicht an letzter Stelle zu nennen.

Selbstverständlich wurde auch die vermeintliche Super- und Hegemonialmacht UdSSR in das Forschungsunternehmen einbezogen, stand aber bewußt nicht im Mittelpunkt. Es ging vielmehr gerade darum, den historisch bedingten Eigengesetzlichkeiten und den Sonderentwicklungen der kleineren Staaten Osteuropas Rechnung zu tragen. Vor den Zugriffen des Nationalsozialismus und des Stalinismus waren diese Staaten der westlichen Rechtskultur weitaus stärker verbunden gewesen als die Sowjetunion bzw. Rußland.

Auf zwei internationalen Symposien haben die Mitarbeiter der fünf Arbeitsgruppen Erträge ihrer Forschung zu zentralen Themenkomplexen des Rechts im Sozialismus vorgetragen: zum radikalen Umbau der Eigentumsordnung, zur Paradoxie der sogenannten Sozialistischen Gesetzlichkeit, zur zwiespältigen Rolle der Staatsanwaltschaft und zur Justizpolitik, bezogen vor allem auf die Veränderungen der Juristenausbildung und die Installierung "gesellschaftlicher" Gerichte in Konkurrenz zur traditionellen Gerichtsbarkeit. Diese Beiträge kommen nunmehr in gründlich überarbeiteter, zum Teil stark erweiterter Form zum Druck. Von wenigen Ausnahmen abgesehen stammen sie aus der Feder solcher Forscher, die den jeweiligen sozialistischen Ländern angehörten. Diese Autoren haben in eindringlicher Authentizität ein Stück der Geschichte ihrer eigenen Gesellschaften geschrieben.

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