Die Historische Rechtsschule

Hans-Peter Haferkamp

Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 310
Frankfurt am Main: Klostermann 2018. IX, 396 S.

ISSN 1610-6040
ISBN 978-3-465-04332-4


Bücher über die Historische Rechtsschule könnten ganze Bibliotheken füllen. Gleichwohl fällt es bis heute schwer zu beantworten, wer warum zu dieser Schule gerechnet werden kann und wer nicht. Dies liegt auch daran, dass die geistesgeschichtliche Methode, welche die Rechtshistoriografie im 20. Jahrhundert lange dominierte, bis heute Spuren hinterlassen hat. Epochen wurden von Leitfiguren her gelesen, in denen der Zeitgeist vermeintlich zur Entfaltung kam. Die Historische Rechtsschule wurde seitdem weitgehend mit Friedrich Carl v. Savigny identifiziert. Die Forschung konzentrierte sich auf Savigny und ließ die meisten seiner Schüler fast unbeachtet. Als Gruppenphänomen erweist sich die Historische Rechtsschule bis heute als erstaunliche Terra incognita. Die Abhandlung unternimmt den Versuch, die Historische Rechtsschule erstmals als wissenschaftliche Schule und damit als Kommunikationszusammenhang einer großen Zahl von Rechtswissenschaftlern zu rekonstruieren. Drei Felder der juristischen Tätigkeit, in denen sich die Historische Schule als Einheit positionierte und in sich wandelndem Kontext auch mehrfach neu konstituierte, werden dabei betrachtet: der Jurist als Lehrer, als Rechtswissenschaftler und als Richter.

Inhalt

Vorwort | IX

A Einleitung | 1

I. Gans’ Frage | 1

II. Ausgangsüberlegungen | 16

III. Sondierung des Feldes | 18

1. Lehrer-Schüler-Verhältnisse | 18
2. Begriffsgeschichtliche Annäherung: Gönners »Historische Schule der neueren Civilisten« | 23

B Von den Römern lernen | 31 | 1

I. Hugos Reformmodell von 1789 | 31

1. Am Vorabend der Revolution – Diskussionen zwischen Gustav Hugo und Karl Leonhard Reinhold | 31
2. Hugos Modell einer »verbesserte[n] Studirart« | 33

a) Bildung, nicht Anwendungswissen | 33
b) Systemdenken in didaktischer Mission | 39
c) Exegese als Schlüssel – das Vorbild der Göttinger Theologie | 41
d) Hugos »civilistischer Cursus« im Göttinger Kontext | 46

II. Didaktische Aufbruchsstimmung 1790–1803: Hugo, Haubold, Savigny | 51

III. Das Civilistische Magazin als erster Sammlungsort | 60

IV. Warum tote Rechte lehren? Die Geltungskrise des Jahres 1806 | 62

1. Das Ende des Alten Reiches und die Diskussion um römisches Recht als Lehrgegenstand | 62
2. Bloße Denkschule oder Nationales Recht ohne Staat? | 68

V. Der Aufstieg der Pandektenvorlesung | 77

1. Eine neue Pandektenvorlesung | 78

a) Institutionen und Pandekten | 78
b) Durchsetzung von Heises Pandektensystem | 81
c) Gemeines Civilrecht, Reines oder Heutiges Römisches Recht? | 83

2. Pandektensystem und nationale Einheit | 92

VI. Eckpunkte eines gemeinsamen Lehrkonzepts | 95

1. Vortrag statt Vorlesung | 95
2. Grundriss, Kompendium, Handbuch | 97
3. Übung statt hermeneutisches Reglement | 102
4. 4. Der Student als »Erbe der Schätze« | 106

VII. Ausbildung als Schlüssel – Ergebnisse | 107

C Das Recht im Römischen Recht | 111

I. Wissenschaftliche Konturen der Schule bis in die 1820er Jahre | 112

1. Organismus, ›Besitz‹ideal, Volksgeist? | 112

a) Wissenschaftliches und Didaktisches System | 112
b) Der »Besitz« von 1803 als Vorbild? | 117
c) Volksgeist? | 125

2. Auf antiken Wegen | 129

a) Ein zeitgenössisches Bild: die »Historiker« | 129
b) Auf der Jagd nach neuen Quellen | 131

II. Krisendebatten seit den 1820er Jahren | 139

1. Die ›Antiquarischen‹? | 139

a) Thibauts Angriffe im Archiv für die civilistische Praxis | 139
b) Klimawandel Mitte der zwanziger Jahre | 142
c) Unzufriedenheit innerhalb der Schule | 143
d) Ein Reformprojekt: Das Rheinische Museum für Jurisprudenz | 147
e) Abgrenzungen zu den lediglich Praktischen | 151

2. Die »Nichtphilosophischen«? | 156

a) Savignys »Beruf« als philosophische Herausforderung | 156
b) Hegelianische Angriffe | 158
c) Aufkommende Debatten innerhalb der Schule | 161
d) Offene Hinwendung zur Philosophie | 164
e) Auf den Feldern der Erweckungstheologie | 166

III. Methodologische Selbstvergewisserungen seit den 1830er Jahren | 171

1. Diskussionen um den Rechtsbegriff | 173

a) Göttlicher oder menschlicher Ursprung des Rechts | 173
b) Volksgeist und Staat | 180
c) Freiheit und Vernunft | 184

aa) Geschichte als notwendig und frei | 184
bb) Strukturbildung im Organismus | 189

2. Erkenntniswege zwischen Intuition und Rationalität | 197

3. Das Heutige Römische Recht zwischen Substanz und Erscheinung | 203

a) Der römische und der deutsche Jurist | 203
b) »Innere« und »äußere« Wahrheit – Diskussionen um die Gewohnheitsrechtslehre | 206
c) Die antike Quelle und der heutige Interpret | 2015

aa) Das erstaunliche Schweigen zu Savignys Auslegungskanones | 215
bb) Schnittstellenargumente: »Praktische Bedürfnisse« | 218

d) System zwischen Freiheit und Notwendigkeit | 228

aa) Regelmäßiges und anomalisches Recht | 230
bb) Klassifikation oder natürliche Anschauung? | 235
cc) Freiheit oder Ordnung? | 244
dd) System und Geschichte | 248
ee) Analyse und Synthese – Begriffsbildung | 257

IV. Die »christlich-historische Schule« – Ergebnisse | 264

D Der Gelehrte auf dem Richterstuhl | 269

I. Justizkritik um 1800 | 269

II. Erziehungsfragen in preußischer Perspektive | 272

III. Anhänger der Historischen Rechtsschule als Richter | 280

IV. Verwissenschaftlichung des Gerichtsgebrauchs | 284

V. Der Richter im wissenschaftlichen Kommunikationsprozess | 299

VI. Rechtspolitische Grenzgänge: Die Justiz als Garant bürgerlicher Freiheit? | 305

VII. Ein gemeinsames Justizkonzept? – Ergebnisse | 310

E Wendepunkte | 313

I. Das Ende einer Ära | 313

II. Zusammenbruch der Leitsätze der Schule | 315

III. Das Ende des Ausbildungsideals | 322

F Die Historische Rechtsschule als Schule | 325

Abkürzungen | 331

Literatur | 335

Personenregister | 387

Abbildungsnachweise | 393

Zur Redakteursansicht