Barockscholastische Debatten zur ignorantia iuris – was gibt es neues im Vergleich zum Mittelalter?

Frankfurter Rechtshistorische Abendgespräche

  • Datum: 02.05.2018
  • Uhrzeit: 18:15
  • Vortragende(r): Jacob Schmutz, Universität Paris-Sorbonne
  • Ort: MPIeR
  • Raum: Vortragssaal des MPI
Barockscholastische Debatten zur ignorantia iuris – was gibt es neues im Vergleich zum Mittelalter?

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, lautet ein bekannter Rechtsgrundsatz, der aus dem römischen Recht stammt (ignorantia legis non excusat). Nach geltendem deutschem Recht ist die Schuld eines Täters nur dann ausgeschlossen, wenn der Irrtum nicht vermeidbar war, es sich also um eine unvermeidbare Unwissenheit handelt (die Scholastiker und Glossatoren nannten sie ignorantia invincibilis). Die problematische Frage ist nun der Umfang der Umstände, die zur „Unvermeidbarkeit“ führen. Ziel meines Vortrages ist es zu zeigen, dass der Umfang dieser Unvermeidbarkeit in der mittelalterlichen Tradition sehr eng gedeutet wurde, die neuzeitlichen Scholastiker ihn aber in gewissen Kontexten stark erweitert haben. Vor allem spätere Autoren der Gesellschaft Jesu in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts haben hier ein ganzes rechtshistorisches Gebäude abgerissen, dessen Baustruktur aus dem 12. Jahrhundert stammte. Das bemerkte schon der protestantische Denker Pierre Bayle, der darauf hinwies, wie die – ihm zufolge zu Recht – verurteilte Position des Petrus Abelardus in seiner Zeit wiederbelebt wurde. Ich werde versuchen, die Bruchlinien dieser neuen Deutung zu identifizieren, die in den unterschiedlichen Haltungen gegenüber der Kolonisation Amerikas zu suchen sind: einerseits die spanische Haltung, welche mit der Schule von Salamanca aus dem 16. Jahrhundert verbunden ist, und anderseits die portugiesische Haltung gegenüber der Kolonisation Brasilien, die erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Gestalt annahm.

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